Segeln

Angefangen hat alles damit, dass LockeWhisky, den ich 1984 in Kenia kennengelernt hatte, fragte, ob ich keine Lust auf einen Segeltörn in der Türkei hätte.

Türkei??? War das dieses Land ganz weit weg, wo noch nie ein Tourist gewesen ist und das man nur kennt weil ein paar Gastarbeiter in Deutschland sind? Genau, Türkei. Eine zweiwöchige Tour ab dem 30.4.1986 von Marmaris nach Fethye und zurück sollte es sein. Ich hatte von beiden Orten noch nie etwas gehört, auf nem Boot war ich auch noch nie, also sagte ich zu.
In den Wochen vor der Abreise fragte ich einen türkischen Arbeitskollegen nach allen möglichen Worten, die man eventuell gebrauchen konnte.
teşekkür = danke, von uns “teschekü” gesprochen
lütfen = bitte
bir iki üç (ütsch) dört beş (besch) altı - 123456
şerefe (Scherrifee) = Prost
Das sollte reichen

Der kürzeste Weg nach Marmaris wäre von Rhodos aus gewesen, aber das kam nicht in Frage, weil die griechischen Behörden angeblich Ärger machen, wenn man nach mehr als einem Tag wieder von der Türkei aus einreisen will. Der nächste türkische Flughafen wäre Dalaman gewesen, aber der hatte Ende April noch nicht auf.

Es sollten noch zwei Mann am 2. Mai nachkommen, und die konnten dann zum am 1.5. eröffneten Flughafen in Dalaman fliegen. Da aber der Törn schon am 1. Mai beginnen sollte, und vorher wohl auch noch Essen und Getränke besorgt und eingeladen werden mußten, gab es nur eine Möglichkeit: Istanbul. 
Von Düsseldorf ging's am 25.4.1986 mit Hapag Lloyd zum İstanbul Atatürk Havalimanı, dort dann mit einem Taxi zum nationalen Flughafen, um einen Flug nach Izmir zubekommen. Es war aber kein Platz mehr in einem Flugzeug frei. Hätte man eventuell vorher planen können. Aber ich hatte damals keine Ahnung von Urlaubsplanungen, meine Erfahrungen beschränkten sich auf 3 Pauschalreisen nach Mallorca, Kreta und Kenia und Busfahrten nach Lloret de Mar. LockeWhisky hatte alles organisiert.... 
Nächster Stop: der Busbahnhof, wo wir zwei Platzkarten für den Bus nach Izmir ergatterten, knappe 500 Kilometer entfernt. Nach einer Stärkung mit Fleisch, das von einem drehenden Spieß geschnitten wurde, ähnlich wie das in Deutschland bekannte Gyros, nur anders gewürzt, gingen wir zur Haltestelle und warteten auf die Abfahrt.
Kurze Abschweifung: In Bochum gab es damals ein einziges türkischen Restaurant, die Kokille am Südring, spießgedrehtes Fleisch gab es nur beim Griechen. Die heute an jeder Ecke zu findenden Dönerläden begannen erst später ihren Siegeszug durch deutsche Gaumen. Immerhin war mir durch das Studium fast aller Karl May Bücher in meinen Kindertagen bekannt dass Mohammedaner kein Schweinefleisch essen. Auch wenn Hadschi Halef Omar gerne vom luftgetrockneten Schinken probiert hätte....

Aber zurück nach Istanbul: der Bus fuhr um 18 Uhr los, die Fahrt nach Izmir von dauerte, mit kurzen Unterbrechungen alle 2 Stunden, ca.12 Stunden. An den Haltepunkten wurden wir freundlich von Türken begrüßt, die in Deutschland gearbeitet hatten, und sich freuten, etwas von Stuttgart oder München erzählen zu können.
Wir erreichten Izmir kurz nach Sonnenaufgang und fragten uns irgendwie durch, wie es weiter gehen könnte. Deutsch wurde nicht verstanden, mit englisch ging es so halbwegs. Meine türkischen Worte nützen in diesem Fall nicht. Ein Bus fuhr nach Mugla, ca. 200 Kilometer weiter südlich, also in die richtige Richtung immerhin. Dort angekommen hatten wir erstmal Hunger. Eine türkische Pizza später, die zwar völlig anders als eine italienische, aber gut schmeckte, waren wir bereit für weitere Busfahrten.
Hotel Lydia Marmaris

Marmaris war “nur” noch gute 55 Kilometer entfernt, ein Katzensprung sozusagen. Am späten Nachmittag erreichten wir nach ca. 22 Stunden Gesamtreisezeit unser Ziel. Wie wir dort ein Hotel gesucht und gefunden haben, weiss ich nicht mehr. Vielleicht war es vorgebucht? Keine Ahnung.
Jedenfalls wohnten wir für die nächsten 3 Nächte im Hotel “Lydia”, das nur 100 Meter von den Booten entfernt war - für 9.207 Lira pro Nacht. Wieviel das in DM war? Keine Ahnung....

Wir hatten noch 3 Tage Zeit, bis es los gehen sollte. Die nutzten wir, indem wir verschiedene Teppichgeschäfte besuchten, um uns die Unterschiede zwischen einem Hereke und einem billigeren Teppich erklären zu lassen. Ausserdem wurde uns erzählt dass ein Teppichverkäufer hauptsächlich davon lebt einem anderen Teppichverkäufer einen Teppich zu verkaufen. Und dieser dann dem Nächsten. Kam uns komisch vor, aber immerhin versuchte niemand, uns so ein Ding zu verkaufen. Kann auch sein dass ich beim englisch/türkischen Kauderwelsch etwas falsch verstanden habe
Ein einziger Einheimischer sprach deutsch, der Rest spielte sich auf englisch und türkisch ab, wobei meine 6-7 türkischen Worte sehr hilfreich waren. Beim abendlichen Knobeln mit Besuchern der gegenüber des Hotels liegenden Bar nützten die Zahlen von 1-6 jedenfalls. Ich hatte Englisch nur 1 1/2 Jahre in der Schule gelernt, konnte aber so gut wie alle Lieder im Radio mitsingen, wodurch ich viele Worte und deren Aussprache gelernt hatte, LockeWhisky kannte viele Worte, aber sprach sie in der deutschen Reihenfolge aus, Am Bootssteg in der Sonne liegendsodass ihn so gut wie niemand verstand. Was später noch für so manches Durcheinander sorgen sollte.
Wir besuchten einen Hamam, ein Badehaus, in dem man sich zunächst Wasser mit einer Schale über den Kopf kippen und dann von einem ganzkörperbehaarten alten dicken Türken eingeseift werden sollte.
Ich verabschiedete mich fluchtartig, ich seife mich lieber selber ein. Oder zumindestens von einer Frau.

Im örtlichen Reisebüro fragten wir, wie teuer ein Rückflug von Izmir nach Istanbul wäre, und buchten sofort, weil 68 DM besser als 12 Stunden Busfahrt waren.
Dann wurde eingekauft und die Lebensmittel eines kompletten Geschäftes aufs Boot gebracht. Was ein Mann denkt das man auf einem zweiwöchigen Törn braucht. 30 Flachen Rotwein zum Beispiel....

Abends ging's dann ziemlich müde ins Bett, aber an Schlaf war leider nicht zudenken, weil im Hotel der Jahreskongress der türkischen Teufelsaustreiber war, die die ganze Nacht durchgehend irgendwelche merkwürdigen Lieder gesungen haben. Dafür stellte der Preis dann nicht pro Person, sondern pro Zimmer heraus, und Frühstück gab's auch noch. Mit teufelsaustreibenden Gesängen im Hintergrund.

Meine mohammedanischen Kenntnisse beschränkten sich wie schon erwähnt auf das, was ich bei Karl May gelesen hatte. Durch die Wüste, Durchs wilde Kurdistan - dort gibt es jede Menge Geschichten, die auch heute noch genau so aktuell sind wie damals. Wobei es mittlerweile (2020) eher schlimmer geworden ist.
Jedenfalls wusste ich, dass der Genuß von Alkohol verboten ist. Also ich wusste es nicht, ich dachte es wäre so. War aber nicht. Nach Sonnenuntergang sieht Allah nichts mehr, da kreisten auch bei den Einheimischen die Biere und Rakis.

 

Zum Segeln:

DIn der Bucht von Marmarisas Ganze nannte sich Flottillen - Segeln und insgesamt waren 12 Boote plus ein sogenanntes Lead-Boot mit einem Überkapitän - Jack aus Hull, einem Mechaniker und einer Hosteß - Jan aus Australien, dabei. Denen sollten wir am ersten Tag folgen.
LockeWhisky zeigte mir schon mal ein paar Handgriffe, die man können sollte, bevor es am 1. Mai am frühen Nachmittag endlich losging.

1.5.1986
Unser Boot hieß Acelya und wir fuhren mit Motor aus der Bucht von Marmaris um in Kümlübükü zu ankern.
LW brachte mir unterwegs Diverses bei. Fender (kannte ich bisher nur als Gitarre) setzen und immer auf den Mast schauen, damit man nicht runtergeschmissen wird, und solche Sachen. Unser Boot kam als letztes an und wir mußten deshalb an der letzten freien Boje festmachen, deren Leine relativ kurz war.

Ankunft in Kümlü Bükü - an Land ist das Restaurant zu sehen
Mit dem Dinghi ging’s an Land. Dort zogen alle (wir 2 Deutschen, 2 Boote Holländer, der Rest Engländer, Waliser, Iren und Schotten) ins nächste Restaurant und feierten dort in den Geburtstag von einem holländischen Zahnarzt, der im Rotterdamer Hafen seinem Job nachging. Er hatte vorsorglich mehrere Kanister Genever mitgebracht. Auf meine Frage, wie man denn mit solchen Wurstfingern, wie er sie hatte, als Zahnarzt arbeiten könne, antwortete er: Was meinst du, warum ich in einem Hafen arbeite? Die kommen alle nicht wieder.

Irgendwann mitten in der Nacht war die Feier dann beendet und wir stellten draußen fest, daß ein Sturm unsere Dinghis samt Ruder irgendwohin geweht hatte. Also im stockdustern suchen. Wer seine Sachen gefunden hatte, ruderte dann zum Boot. Unser Boot war allerdings nicht mehr da. Es schlingerteReparaturschicht in Paradise Island führerlos durch die Bucht. Die Bojenleine war zu kurz gewesen und der Betonklotz am Grund hatte sich losgerissen. Wir mußten es dann rudernd und schwimmend wieder einfangen. Beide mit ca. 3,5 Promille. Und ich mußte auch noch tauchen, weil sich ein Seil in der Schiffsschraube verfangen hatte, das ich wieder losmachen sollte. Als ich es irgendwie geschafft hatte, fuhren wir dann längsseits an ein anderes Boot und machten da fest. Mittlerweile war es schon hell draußen, und da an mehreren Schiffen kleinere Schäden waren, fuhren wir wieder zurück nach einem Ort namens Paradise Island - türkischer Name Keçi Adası. Die englische Lead-Crew gab allen Orten eigene Namen.

2.5.1986
Den Tag über wurden dann leichte Sturmschäden an den Booten repariert und ausgenüchtert (wir, nicht die Boote) und am frühen Abend kam dann der Rest unserer Besatzung, nämlich Horst aus Dortmund und Klaus aus Düsseldorf. Ich kannte beide nicht, aber altermäßig passte ich nicht so ganz in die Truppe. Ich war mit weitem Abstand das Nesthäkchen.

Lal@ liegt faul in der Sonne

 

 

3.5.1986
Am nächsten Morgen war ich wieder nüchtern und es ging endlich richtig los. Es wurde über 10 Stunden und 67 Meilen gesegelt, ich habe 2 Mal gekotzt und mich hauptsächlich liegend am Bug des Schiffes aufgehalten.
Mir dämmerte es, daß Segeln nicht meine Lieblingssportart werden würde.

Essen für alle in der Four Fathom Bay

Four Fathom BayAbends ankerten wir dann in der sogenannten Four Fathom Bay in der Bucht von Fethye, in der wir uns in den nächsten Tage aufhalten sollten. Es gab Essen für alle, das toll schmeckte, aber ungewohnt war, weil ich ja aus Deutschland noch kein türkisches Essen kannte, ausser von meinem einen einzigen Besuch in der Kokille.

Wir segelten in den nächsten Tagen manchmal zusammen mit anderen Booten und manchmal alleine - zu vielen kleinen Buchten, die es da so gab. Abends traf man andere Boote und ankerte gemeinsam und kochte und trank etwas zusammen. Tagsüber konnte jedes Boot segeln und ankern wo es die Besatzung wollte, abends wurde in irgendeiner passenden Bucht geankert.

Markt in Fethyie4.5.1986
Am nächsten Tag ankerten wir (nach kurzem Stop in der Three Fathom Bay auf einem Genever mit den Holländern) mal wieder in einem Hafen, nämlich in Fethye, um neue Verpflegung und Eis für den Kühlschrank zu laden. Und um mal wieder ein paar Stunden festen Boden unter den Füßen zu haben. Auf dem Markt sahen wir uns an, dass bei der Metzgerei nicht unbedingt deutsche Hygienestandards herrschten.

Trotzdem gönnten wir uns ein ganzes Rinderfilet, das wir im Laufe der Woche nicht ganz verzehrt haben und einen Teil dem Gott des Meeres opferten. Einen “richtigen” Kühlschrank gab es nicht an Bord, es wurde mit Eisblocks gearbeitet, wodurch sich eigentlich nur die Kartoffeln ein paar Tage hielten. Tagsüber ernährten wir uns deshalb von Bratkartoffeln. Da in fast allen Buchten abends irgendjemand fragte ob wir etwas essen wollen war das kein Problem.
 

5.5.1986
Relativ kurze Fahrt durch die Bucht von Fethye zur 73° Bay. Keine weiteren Einzelheiten.
6.5.1086
Fahrt zur 11”51 Bay, wo wir uns mit mehreren anderen Booten trafen.

7.5.1986
ILal@m Laufe der Zeit stellte sich heraus, dass ich nicht so ganz zu den Anderen paßte, weil meine zugegebenermaßen etwas lockeren Der holländische Zahnarzt war mit seiner Frau und einem Waliser unterwegsSprüche nicht so gut ankamen und ich manchmal aus seglerischer Unkenntnis etwas verkehrt machte. Aber es ging ganz gut, bis dann ein Grillfest in der sogenannten 31"11 Bay mit allen Booten angesagt war. Die Buchten wurden der Einfachheit halber nach ihrer Tiefe in Faden benannt. Faden ist so ein Seemanns-Maß. Ich hab das nie ganz verstanden, wieviel das in cm ist. Alle 13 Boote trafen sich erstmalig wieder. Wie die Kommunikation zwischen den Booten unterwegs war? Ich hab’s vergessen.

Beim Grillen wurde dann jede Menge Alkohol konsumiert, und irgendwann gab es eine leichte Schlägerei zwischen mir und LW, weil ich ihm wieder mal einen Spruch gegeben hatte, und er auch etwas frustriert war, weil er bei der Jan, der Hosteß, nicht landen konnte.
Er war der viel Stärkere.

8.5.1986
Am nächsten Morgen war dann mehr oder weniger alles vergessen und ich wurde zum Briefing, also zur Planung der nächsten Tage, auf das Leadboot geschickt. War mein Job, die Anderen hatten es ja nicht so mit der englischen Sprache. Dafür kannte ich die seemännischen Begriffe nicht und übersetzte immer relativ wortgetreu, was die Mitfahrer dann aber nicht verstanden, weil einige Begriffe völlig anders sind als im Deutschen. Wenn es z. B. um eine Dame namens "Jenny" ging, war die "Genua" gemeint, das vordere Segel. Ich hatte aber eine Menge Spaß dabei, wir haben uns nur nicht immer an die Vorgaben gehalten, weil ich eben nicht alles verstanden habe. Aber irgendwann haben wir die anderen Boote immer wieder gefunden.
Nachdem wir abends vor Gemiler Island geankert hatten fragte uns ein ziemlich verlottert aussehender Deutscher, ob wir Wildschwein essen wollten. Er war angeblich auf der Flucht vor der Polizei, versteckte sich im Wald und schoß das eine oder andere Tier, um es den Seglern anzubieten.
Es war sehr, sehr lecker. Ich habe anschließend zuhause so ein Tierchen probiert, es war nicht annähernd so wild im Geschmack wie “damals in der Türkei”.....
Getränkemäßig ernährten wir uns von Rotwein, der musste nicht gekühlt werden....

9.5.1986
Von Gemiler Island ging’s rüber zur Cleopatra Bay, wo historische Ruinen mit den versunkenen Bädern nebeneinander existieren.
Während des Besuchs der ägyptischen Königin Cleopatra an den Mittelmeerküsten beschlossen ihre Freunde, ihr dieses Bad zu machen und es als Geschenk zu geben. Weil sie festgestellt haben, dass es in dieser Bucht eine Heißwasserquelle gibt. Es wird gesagt, dass dieses heiße Wasser gut für Hautkrankheiten ist und dass die Schönheit von Cleopatra von hier kommt.
Nett anzusehen.

Zwei Nächte verbrachten wir mit einem Schottischen Ehepaar mit Sohn, die neben uns ankerten. Mir wurde beim gemeinsamen Abendessen im örtlichen Restaurant dabei erstmalig bewußt, daß meine Englischkenntnisse für solche Situationen nicht ausreichten. Schottisch hörte sich für mich ähnlich unverständlich wie z.b. chinesisch an. Immerhin verstand ich nach einiger Zeit, das Danndai wohl Dundee bedeuten musste. LW sprach auch englisch, aber wie schon erwähnt mit deutschem Satzbau, also verstand ihn keiner und die Anderen beiden hatten nur gute Deutsch-Kenntnisse.

Ich verspeiste eine Languste, die Erste meines Lebens, sie war sehr groß und schmeckte sehr gut. Es sollten noch viele weitere im Laufe meines Lebens den Weg in meinen Magen finden. Leider gibt es kein Foto dieses Tieres....
 

Cleopatra Bay

Cleopatra Bay

 

 

 

10.5.1986
Es war mal wieder eine längere Strecke angesagt, nach Ekinçik - wieder in Richtung “Heimat”. Dort trafen sich am Abend alle Boote um am nächsten Tag einen Ausflug zu unternehmen. Abends essen aller Mitreisenden im örtlichen Restaurant.

11.5.1986
Ziel Fahrt zum Dalyan Flußdes Tages für alle Boote war Dalyan Boğazı in der Nähe von Ekinçik, wo wir eine Flußfahrt machen wollten. Dafür war eine Art Motordschunke gemietet worden, in der die Besatzungen von allen Booten mitkommen konnten. Schon nach 5 Minuten Fahrzeit, noch vor der Flußmündung, fuhr ein Militärboot längsseits und der Captain fragte auf englisch, ob wir einen Minimax (Feuerlöscher) und Schwimmwesten dabei hätten.
Hatten wir natürlich nicht.
Also wieder zurück auf die Boote und das Verlangte mitgenommen. Das Militärboot kam wieder heran und wieder fragte der Captain nach unseren Minimäxen. Als Antwort nahm der hölländische Zahnarzt seinen Feuerlöscher, hielt ihn auf den Captain und sagte: "I show you my Minimax!" Dann drückte er ab. Der Cpt. war natürlich sofort ganz weiß eingespüht. Die Besatzung versteckte sich hinter ihm, damit er die lachenden Gesichter nicht sehen konnte. Wir waren alle etwas ängstlich und sahen uns schon für die nächsten Jahre in türkischen Gefängnissen. Der Captain war ca. 2 Minuten lang völlig still und entfernte das weiße Pulver von seiner Uniform. Dann sagte er mit völlig unbewegter Miene: "It's ok. Go on".

Felsengräber in Kaunos - Caunos Tombs of the KingsAlle waren sehr erleichtert und die Fahrt konnte endlich richtig losgehen. Wir fuhren an in den Fels gehauenen Gräbern vorbei nach Kaunos, einer antiken Stadt, die früher direkt am Meer lag.
Das Dalyan-Delta hatte im Laufe der Zeit große Mengen Schlick in den Häfen abgelagert, und der ursprünglichen Küste wurde eine große Menge Landmasse hinzugefügt. Dies verlangsamte und stoppte schließlich den gesamten Seehandel von Kaunos.

Die Felsengräber, die auch von Dalyan aus zu sehen sind, wurden im 4. Jahrhundert v. Chr. erbaut und später in der Römerzeit genutzt. Auch ein ziemlich verfallenes Amphitheater aus dem 2. Jahrhundert vor Christus war zu bewundern. Die Kapazität betrug 5000 Personen. Amphitheater in KaonosEine große Mauer stützte eine Seite des Theaters, während die andere Hälfte in den Hang gebaut wurde.

Dann etwas Essen in einem direkt am Fluß gelegenen Restaurant und weiter zum See, dem Köyceğiz Gölü, und den dort vorhandenen Schwefelquellen und Bädern. Es stank entsetzlich, aber der Zahnarzt stürzte sich mit Freudengeheul in die dreckige stinkende Brühe. Als Rückenkranker nützt man jede Gelegenheit zur Gesundung. Ich wußte das damals mit meinen jugendlichen 30 Jahren noch nicht.
Dann ging's wieder zurück den Fluß entlang zu den Booten.
Abends war Reste grillen am Strand angesagt.

Ruinen in Kaunos

Ruinen in Kaunos

12.5.1986
Dann Start der Regattakam der vorletzte und für die “richtigen” Segler der wichtigste Tag. Es wurde nämlich eine Regatta mit allen 13 Booten ausgefahren. Ich persönlich bin ja nicht so ein unbedingt "Gewinnenwoller", aber ich war wohl der Einzige mit dieser Gesinnung. Wir fuhren mit dem Leadboot und einem weiteren Boot parallel zur Küste, die anderen segelten erstmal weit raus, um dann von der Seeseite her ins Ziel zu fahren.
Das war jetzt nen bischen blöd erklärt, aber ich habe keinerlei Kenntnisse über seemännische Begriffe. War wohl irgendwas mit Höhe laufen und so'n Zeug. Wir hatten jedenfalls einen guten Vorsprung, aber ca. 500 Meter vor dem Ziel war uns der Wind völlig abhanden gekommen. Das Leadboot fuhr mit Motor schon mal in die Bucht von Turunç, während wir mehr oder weniger vor dem Ziel standen. Alle Segel waren aufgespannt und wir zogen uns noch nackt aus und hielten T-Shirts in die Luft, um wenigstens einen weiteren Lufthauch mitzukregen, während die anderen Boote mit hohem Tempo immer näher kamen. Aber irgendwie schafften wir es dann doch noch mit dem Wellengang irgendwie kurz vor dem Nächsten als Erste ins Ziel zu kommen. Die drei Mitsegler freuten sich wie die Gewinner des America's Cup.

 

Abends dann gemeinsames Essen aller Segler im örtlichen Restaurant, diesmal ohne wegfliegende Dingis und herrenlose Boote.

Blick auf das Restaurant in Turunç

13.5.1986

Am letzten Tag dann nur ein kurzer Törn wieder in die Bucht von Marmaris an den Endpunkt der Reise. Klaus und Horst fuhren sofort zum Flughafen nach Dalaman, weil ihre Maschine schon wieder nach Hause flog. Ich blieb mit LW noch für zwei Nächte in Marmaris, zwecks Checkout des Bootes. Dort wurde im naheliegenden Restaurant das letzte Essen mit der kompletten Segelmannschaft, also ca. 30 Leuten zelebriert.

Locke Whisky hielt seine Dankesrede, zu er sich wegen des Regattasieges verpflichtet fühlte, in englisch, indem er wie immer deutsche Sätze Wort für Wort übersetzte. Natürlich verstand ihn - auch wie immer - niemand, alle kuckten ziemlich verständnislos, aber er war völlig begeistert und redete sehr lange. Dann wurde bis zur Besinnungslosigkeit gesoffen und in einer kleinen Holzhütte am Bootssteg geschlafen.

15.5.1986
Wir hatten noch einen weiteren Tag, den LW mit Teppichkäufen und wir beide mit trinken an der Hotelbar verschwendeten.
Kurz vor 18 Uhr kam jemand herein, der uns allen bekannt vorkam, wir aber lange nicht wußten, wer es wohl war. Endlich kam Irgendjemandem die Erleuchtung: Es war der Kapitän des Militärbootes aus Dalyan. Der dicke Zahnarzt ging gleich zu ihm, um sich zu entschuldigen, seine Frau konnte ihn nicht davon abhalten, obwohl sie Angst vor einer Verhaftung hatte. Das Ganze endete so, daß der Captain im Laufe des Abends völlig betrunken von 2 Mann weggetragen wurde. Wie schon erwähnt, nach Sonnenuntergang sieht Allah nichts.....

16.5.1986
Am nächsten Tag ging’s frühmorgens mit dem Bus nach Izmir (ohne umsteigen in Mugla) und von dort fliegenderweise mit einer Boeing 727 von Türk Hava Yollari weiter nach Istanbul.
Dort mussten wir zur Passkontrolle, wo wir aber nicht in die Halle durften, weil drinnen ein Scheich mit ein paar voll verschleierten Haremsdamen (heutzutage in einigen Städten etwas völlig Normales, aber damals für mich etwas völlig Neues) am Schalter stand und die Damen ihre Schleier kurz lüfteten. Anschließend durften wir dann auch die Halle betreten.
Nach 3 Stunden Wartezeit ging's dann mit Hapag Lloyd wieder nach Düsseldorf. Wir wurden von LockeWhisky’s Freundin und deren Tochter abgeholt. Sie erzählten, daß man seit heute wieder in den Garten gehen und überhaupt wieder länger draußen sein durfte. LW und ich schauten uns völlig verständnislos an. Wir hatten scheinbar irgendetwas verpasst.

Falls mal in einer Quizshow die Frage kommt, wann der SuperGAU in Tschernobyl gewesen sind, dann sagt einfach: Das war, als Lala in der Türkei segeln war. Um genau zu sein, an unserem Ankunftstag in Marmaris, am 26.4.1986. Die Beiden, die am 1.5. gekommen waren, hätten es eigentlich wissen müssen, haben aber nichts erzählt. Oder ich hab es vergessen, oder es war damals nicht so wichtig...

Wir waren 3 Wochen nur draußen und ich hoffe, daß keine Nachwirkungen mehr davon kommen. Wobei, jetzt, nach 35 Jahren.....

LockeWhisky ist am 5.5.2013 gestorben, mit 68 Jahren.
Wie kam er eigentlich zu seinem Namen?
Der Weihnachtsurlaub 1984 begann damit, dass nach einem langen Flug von Düsseldorf über Rhodos nach Mombasa und endlos langer Wartezeit auf die Koffer im Bus vom Flughafen zum Hotel durchgezählt wurde, ob alle da waren und die Reiseleiterin Namen vorlas. Einer hiess wie ein ehemaliger Heute Journal-Moderator und hörte sich wie LockeWhisky an - und sowas bleibt dann für die gesamte Urlaubszeit hängen.

 

Ich hatte nach diesem Trip keine Lust mehr noch einmal zu segeln - an Land ist es mir irgendwie wohler, und mir wird nicht so oft schlecht. Naja, 1988, 1989 und 1992 machte ich 3 weitere Törns, immerhin nur für je 1 Woche und mit guten Kumpeln. Aber dann war endgültig Schluß, bis auf die eine oder andere Tageskatamarantour.....

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